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Mehr Trotzkraft für mich

Wie Pipi Langstrumpf, ein brennender Dornbusch und rotziges Beten dabei helfen, Halt im Leben zu finden.

Ein Interview mit Buchautorin Christina Brudereck

Nach einem Lockdown mit Kleinkind glaubt man alles aushalten zu können. Ganz nach dem Motto: was mich nicht umbringt, macht mich noch stärker. Das dachte ich zumindest eine Zeit lang, bis mich der Alltag eines Besseren belehrte und das Wort Mental Load auf einmal zum Trend wurde. Hier bin ich nun: eine Mama, die versucht alles zu meistern und dabei manchmal ins Wanken gerät. Es ist Zeit wieder Halt zu finden, denke ich mir und treffe prompt auf das Buch Trotzkraft. Jackpot! Die Autorin Christina Brudereck gibt in 180 Gedichten, Notizen, Essays und Gebeten Inspiration, wie ich die eigene Resilienz, oder auch Trotzkraft, wiederfinde und stärke. Im Interview gibt sie mir ein paar Vorschläge mit.

Frau Brudereck, Sie haben ein Wort für Kraft und Trost finden formuliert und es Ihrem Werk gewidmet. Wie funktioniert Trotzkraft? Wie und wo fange ich an?

Brudereck: Für mich ist Trotzkraft zunächst ein sehr ehrliches Wort. Wenn wir uns anderen Menschen, Gott oder uns selbst anvertrauen, sollten wir uns nicht belügen und ehrlich sein: das Leben ist gerade sehr herausfordernd. Es ist wirklich viel und es zehrt an meinen Nerven. Das ist der erste Schritt.

Sie beschreiben den Prozess zur Trotzkraft in ihrer Textsammlung wie folgt

  1. dem Unschönen ins Auge blicken, alles raus lassen, ehrlich sein
  2. sich erden, sich mit anderen und Gott verbinden
  3. zum Leben sagen: „Ja, ich will!“

Die Schritte klingen einfach und ich bin ehrlich: Helfen Gebete denn wirklich? Ich spüre so viel Leid und Unrecht auf dieser Erde, nicht alles liegt in meiner Hand. Ich bezweifle, dass Gott das Leid mildern kann, wenn ich ihn darum bitte.

Brudereck: Ja, ich würde sagen das Beten hilft. Aber nicht in dem Sinne, dass ich meine Verantwortung abgebe und denke, dass irgendein:e omnipotente:r Held:in auf Knopfdruck alles richten wird. Das ist Unsinn. Keine Ahnung was Gott genau tut. Gott könnte uns auch genauso gut zurückfragen: ‚Was macht ihr denn gegen Leid und Unrecht?‘ Ich bete dann eher mal rotzig zu Gott. Das hilft.

Rotzig beten - darf man das?

Brudereck: Ja unbedingt! Ich fühle mich dabei immer willkommen. Man braucht nicht höflich zu beten. Ich glaube, dass Gott das locker aushält und sich über ehrliche Gebete freut.

Aber nicht jeder würde beten, um sich zu erden oder die heutige Tageslosung nachlesen.

Brudereck: Das sind ja auch meine Rituale. Und Rituale helfen, ob sie mit Gott im Gebet oder anders durchgeführt werden. Ich telefoniere z.B. auch jeden ersten des Monats mit meiner besten Freundin. Das Erden passiert ja meistens auch mit Hilfe von Menschen. Wir sind alle Teil irgendeiner Gemeinschaft. Und da denke ich nicht nur als Christin an meine Gemeinde, sondern vor allem an meine Liebsten oder die Nachbarschaft. Ich würde jedem und jeder in schwachen Momenten raten: Such Dir ein paar Menschen und ein paar Orte, die Du Kraftorte nennen kannst.

Mir gefällt Text 70 in Ihrem Buch gut: Siebzig Älteste für mich: „Wir fühlen uns oft erschöpft. Alles ist zu viel. Leichtigkeit fehlt.“ So ging es auch Mose in der Wüste. Er heulte sich bei Gott aus und der organisierte dann 70 Älteste, die Mose zur Seite standen. Sie schreiben, Sie hätten ebenfalls 70 Älteste. Wofür stehen sie?

Brudereck: Ich habe mir meine 70 zusammengelesen oder erlebt. Da ist eine Astrid Lindgren dabei, sogar eine Pippi Langstrumpf. Wenn ich an sie denke, inspiriert sie mich, mal ein bisschen komisch zu sein und dann mach ich mir die Welt widdewidde wie sie mir gefällt. Oder auch ein Martin Luther King ist dabei. Er erinnert mich daran, dass es schon andere schwere Situationen gab, in denen Einzelne trotzdem aufgestanden sind. Oder meine verstorbene Mutter, die mir mitgegeben hat: ‚Du bist nie allein‘. Obwohl ich sie vermisse, bin ich dankbar für die Erinnerung und ich spüre ihre Botschaft direkt. Da waren andere vor mir, da sind andere neben mir, andere kommen nach mir. In dieser Bande von Menschen und Figuren steckt wahre Kraft und kann Halt geben.

Die diesjährige Impulspost lautet Ich bin da Trotzdem. Ich liebe den Satz „Ich bin da.“ Ich sage ihn oft zu meinem Sohn, wenn er mal schlecht einschlafen kann. In Exodus 3 kommt er ja auch vor: Gott sprach zu Mose am brennenden Dornbusch „JHWE“.

„Ich bin da, weil ich da bin““ (Exodus 3, Vers 14) Eh-yeh aser Ehyeh. Ich bin da. Ich bin der, der ich bin. Ich werde sein, der ich sein werde.“ (Trotzkraft, Brudereck, Text 90)

Brudereck: Ich mag den Text total, weil die Deutung offenbleibt. Manche finden JHWE zu kryptisch. Aber Du kannst dich entscheiden: Gott ist entweder deine große Freiheit, die sagt ‚geh einfach los‘ oder dein enger Begleiter. Für manche ist Gott väterlich, mütterlich oder gar elterlich. Manche sagen Gott ist die schönste Idee überhaupt. Es ist die Kraft die mich schützt vor Überheblichkeit oder Überforderung. Ich sage zum Beispiel gerne „die Ewige“. Trotzkraft ist auch ein schöner Name für Gott. Es ist die trotzige Kraft, die immer wieder sagt: „ich glaub an dich“.

Nach dem Ehrlichsein und dem Erden ist es nun Zeit für Schritt 3: ‚Ja‘ zum Leben zu sagen. Was schlagen Sie vor, sollte ich heute dafür tun?

Gehen Sie mit Ihrem Kind ein Eis essen. Und geben Sie die Trotzkraft damit weiter.

 

 

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„Schluss mit Worten. Segne die Trotzigen an allen Orten.“
Trotzkraft, Brudereck, Text 180

Auszug aus dem Buch Trotzkraft

Online-Lesung mit Christina Brudereck

Christina Brudereck liest aus ihrem Buch „Trotzkraft“. Gedichte, Essays, Geschichten, Zitate, Gebete. Eine bunte Mischung an Texten. Hinter allen steht die Suche nach Resilienz. Nach Ausdauer und Lebensmut, das uns in der Krise hält.

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